„Afrikanisches Dorf statt Mama und Papa?“ Kritische Anmerkungen zum kruden Bindungsverständnis der rheinland-pfälzischen Landesregierung

Im letzten Jahrzehnt sind in Rheinland-Pfalz, wie überall im Bundesgebiet, riesige Summen investiert worden, um Krippenplätze für die Kleinsten zu schaffen und zu unterhalten. Begründet wurde dies oft mit dem zweifellos berechtigten Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie dem Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft. Das klingt pragmatisch, auf der Agenda steht aber mehr: So forderte schon 2005 der 12. Kinder- und Jugendbericht eine „Institutionenkindheit“ (!) und das heißt im Klartext: Mehr Staat und weniger Familie.

Bei all dem blieben die Kinder auf der Strecke. Immer mehr Ein- und Zweijährige verbringen heute den halben oder den ganzen Tag in der Krippe, manche werden bereits wenige Monate nach der Geburt staatlicher Fremdbetreuung übergeben. Morgens um fünf aus dem Bettchen gerissen zu werden, weil Mama oder Papa um sechs zur Arbeit müssen, ist das Schicksal nicht weniger Kinder. In großen Städten sind 24-Stunden-Kitas auf dem Vormarsch, selbst im eher beschaulichen Rheinland-Pfalz werden sie schon diskutiert. Anlass genug, sich Sorgen um die Kleinsten zu machen.

Wie geht es ihnen in einer mehr oder weniger großen, nicht selten altersgemischten KiTa-Gruppe? Wie verkraften sie die frühzeitige und häufig lange Trennung von ihren Eltern? Inwieweit wird ihrem natürlichen Bindungsbedürfnis Rechnung getragen, wenn sich eine – vielleicht auch noch häufiger wechselnde – Erzieherin nicht nur um ein Kind, sondern um viele kümmern muss? Besteht nicht die Gefahr, dass hier in den prägenden ersten Jahren Fehlentwicklungen stattfinden, die Auswirkungen auf das ganze spätere Leben haben? Was ist mit den eindringlichen Warnungen vieler Kinderärzte, dass Eltern-Kind-Trennungen zu den wichtigsten Stressoren in der frühen Kindheit zählen? Welche Bedeutung haben Studien, die darauf hinweisen, dass Trennungserfahrungen und Bindungsdefizite erhebliche negative Auswirkungen haben? Welche Folgen hat es, dass der Cortisolspiegel bei jungen Krippenkindern sogar im fünften Monat, also lange nach der Einführungsphase, noch ein Drittel höher ist als zu Hause?

Über diese Fragen wollte die AfD-Fraktion im Gesellschaftsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags diskutieren. Sie bat daher die Landesregierung um einen Bericht, ob und wie in den rheinland-pfälzischen KiTas dem Bindungsbedürfnis von Kleinkindern ausreichend Rechnung getragen werde. Das war spürbar eine für die Landesregierung ungewohnte Fragestellung. Sichtlich bemüht wurden Argumentationsversatzstücke zusammen montiert, um Sorgen hinsichtlich des Kindeswohls in öffentlicher Betreuung zu zerstreuen. Die Bedeutung von Bindung für Kleinkinder zwar nicht gänzlich bestritten, aber banalisiert. Bindung wurde uminterpretiert als „zuverlässige physische Versorgung“ und „beständige Verfügbarkeit eines Netzwerkes von Erwachsenen und Kindern“. Exklusive, enge Bindungen an Mutter und Vater seien nicht entscheidend, da Kinder angeblich schon früh mit „multiplen Betreuungsarrangements“ zurechtkommen würden. Dazu wurde ein einschlägig bekanntes afrikanisches Sprichwort zitiert: „Um ein Kind zu erziehen, bedarf es eines ganzen Dorfes“. Dass unsere hochkomplexe Gesellschaft nicht mit afrikanischen Dörfern vergleichbar ist und sich Großfamilienstrukturen nicht durch öffentliche Betreuungsinstitutionen einfach neu „konstruieren“ lassen, wird ausgeblendet. Die natürliche Eltern-Kind-Bindung ist angeblich ein „kulturelles Konstrukt“, der Blick auf die anthropologische Bedeutung der Kernfamilie wird so vernebelt.

Besonders frappierend waren die „alternativen Fakten“ der Landesregierung, als es um die Cortisolwerte von Krippenkindern ging: Die vielfach gemessenen erhöhten Werte dieses Stresshormons wurden als „Zeichen einer besseren Problembewältigung“ umgedeutet. In fast schon zynischer Art und Weise wird der toxische Stress bagatellisiert, für den die erhöhten Cortisolwerte ein Warnsignal sind. Die Folgeprobleme dieser Stressbelastung für Kinder sind bekannt, sie gehen bis hin zu erhöhten Risiken für Verhaltensauffälligkeiten, Übergewicht und Depressionen.

Hier tritt in erschreckender Weise Ideologie an die Stelle von Wissenschaft, politisches Wunschdenken an die Stelle der Realität. Was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Um die möglichst frühe und umfassende Verlagerung der Erziehung aus den Familien auf den Staat zu rechtfertigen, müssen notfalls auch harte Fakten und durch jahrzehntelange Forschung abgesicherte Erkenntnisse geleugnet werden. Im Widerspruch zu Erkenntnissen aus Anthropologie, Pädiatrie, Psychologie und Bindungsforschung bestreitet die Landesregierung die Bedeutung frühkindlicher Bindung an ein oder zwei feste Bezugspersonen, in der Regel an Mutter und Vater.

Die intensive, liebevolle Beziehung von Kleinstkindern zu einer festen Bezugsperson soll überwunden werden. Dass die leidtragenden einer solchen interessengesteuerten Wirklichkeitsverweigerung unsere Kleinsten sind, scheint deren Vertreter ebenso wenig zu stören wie die möglicherweise dramatischen gesellschaftlichen Folgen einer massenhaften Schädigung unserer Kinder in ihren ersten Lebensjahren. Wir als AfD-Fraktion werden an dem Thema dranbleiben. Für uns steht das Wohl der Kinder an erster Stelle. Sie brauchen gerade am Anfang ihres Lebens ihre Familien, sie brauchen vor allem Mutter und Vater. Wer eine ideologisch motivierte Verstaatlichung der frühkindlichen Erziehung mit mehr als fadenscheinigen Argumenten als gleichwertige Alternative verkaufen oder gar zum Pflichtprogramm für alle machen will, der muss mit unserem erbitterten Widerstand rechnen.