An der Forderung der AfD-Fraktion nach einem Landeserziehungsgeld entzündete sich am 22. Juni eine lebhafte Kontroverse im Landtag. Anlass war der Antrag der AfD, Eltern mit ein- und zweijährigen Kindern ein Landeserziehungsgeld von 300 € zu gewähren, wenn sie keinen öffentlich geförderten Betreuungsplatz in Anspruch nehmen. Schon im Vorfeld der Debatte hatte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Daniel Köbler gegen das Erziehungsgeld als „Herdprämie“ polemisiert, obwohl es ausdrücklich keine Einschränkung der Erwerbstätigkeit voraussetzt, sondern die Wahlfreiheit von Eltern in der Kinderbetreuung unterstützt.
Zum Auftakt der Debatte begründete Michael Frisch, familienpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, das Landeserziehungsgeld mit dem grundgesetzlich verbürgten Recht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen und ihr Familienleben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Er zitierte das Bundesverfassungsgericht, demzufolge der Staat die Kinderbetreuung, in der jeweils den Eltern „gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern“ habe (BVerfGE 99, 216-246). Wahlfreiheit sei ein Verfassungsgebot, das nicht nur formell (keine Kitapflicht!) zu gewährleisten, sondern auch materiell zu fördern sei. Eine solche Förderung entspreche den Wünschen der Eltern, die nicht unter Druck gesetzt werden wollten, ihre Kinder möglichst frühzeitig in die Kita zu geben. Frisch verwies auf eine aktuelle Umfrage der Zeitschrift „Eltern“ nach der sich junge Eltern darüber beklagen, aufgrund gesellschaftlicher Erwartungshaltungen und finanzieller Zwänge keine wirkliche Wahlfreiheit in der Gestaltung ihres Familienlebens zu haben.
An der Betreuungspolitik der Landesregierung kritisierte Frisch, dass sie weder den berechtigten Wünschen von Familien noch dem verfassungsrechtlichen Anspruch entspreche. Während ein U3-Krippenplatz mit etwa 1000 Euro monatlich subventioniert werde, erhielten Eltern nichts für die von ihnen selbst erbrachte Erziehungsleistung. Die elterliche Erziehungsarbeit sollte dem Staat aber nicht weniger wert sein als das, was Fachkräfte in Kitas und Krippen tun. Frisch forderte mehr Wahlfreiheit und Gerechtigkeit für Familien und warb dafür, Müttern und Vätern mehr Eigenverantwortung in der Kinderbetreuung zuzutrauen. Sein Appell war: „Geben sie den Familien ein Stück mehr Wahlfreiheit und Gerechtigkeit!“
Wie wenig den Ampelfraktionen an Wahlfreiheit und Gerechtigkeit gelegen ist, weil sie Eltern und Familien misstrauen, zeigten die Statements ihrer Abgeordneten überdeutlich. Allen voran lehnte Frauenministerin Spiegel (Grüne) das Erziehungsgeld kategorisch ab, weil es im Widerspruch stünde „zu entscheidenden familien- und auch gleichstellungspolitischen Weichenstellungen der letzten Jahre“. Ausdrücklich nannte sie das Elterngeld und die Reform des Unterhaltsrechts, die „Anreize“ zum frühen Wiedereinstieg in den Beruf setzten. Dass sie als Frauenministerin die Unterhaltsrechtsreform unterstützt, obwohl sie vielen geschiedenen Frauen Nachteile brachte, ist bezeichnend: Materieller Druck soll Mütter dazu bringen, dem politisch erwünschten Leitbild „kontinuierlicher Erwerbsbiographien“ zu folgen und die Kinder in institutionelle Kinderbetreuung zu geben. Wenn es um das „Gender Mainstreaming“ geht, dann ist für die sonst so gern beschworene Vielfalt kein Platz mehr. Dass das Erziehungsgeld ebenso von Vätern beansprucht werden könnte, spielt keine Rolle. Zu tief sitzt das Misstrauen, dass Eltern in angeblich überholte „Rollenmuster“ verfallen könnten. Hier wird die Familienpolitik zur Durchsetzung gesellschaftspolitischer Zielsetzungen missbraucht – auf dem Rücken und zu Lasten von Müttern und Vätern.
Im Unterschied zu grünen und sozialdemokratischen Gleichheitsverfechtern sollten Liberale eigentlich der freien Entscheidung von Eltern als mündiger Bürger vertrauen. Aber auch die FDP-Abgeordnete Cornelia Willius-Senzer lehnte ein Erziehungsgeld ab, weil es Eltern zu vermeintlich falschen Entscheidungen verführen würde. Wörtlich sagte sie: „Wer profitiert denn von den 300 Euro? Das sind doch typischerweise nicht die Akademikerfamilien. Es ist zu befürchten, dass vorrangig sozial schwächere Familien das Angebot nehmen und eventuell auf den Kitaplatz verzichten. Vielleicht brauchen sie das Geld, um die Monatsenden abzurunden, was manchmal schwer ist, weil die Mieten teuer sind usw. Vielleicht entgeht dann diesen Kindern gerade die so wichtig frühkindliche Bildung“. Die SPD-Abgeordnete Anke Simon wandte gegen Leistungen für selbst erziehende Eltern ein, dass sie die „falschen Zielgruppen“ (!) erreichen würden. Ausdrücklich nannte sie hier „Familien, in denen zu Hause nicht Deutsch gesprochen“ wird. Bemerkenswert war auch ihre Aussage, dass der Staat „nicht nur in der Wächterfunktion sei. In Bezug auf die Betreuungspolitik der Landesregierung betonte sie, dass diese „den Schwerpunkt auf die Qualität“ legen würde.
Solche Aussagen enthüllten das krude Menschenbild der Regierungsparteien, wie Michael Frisch darlegte: „Ich finde es schon sehr bedenklich, wie Sie hier Familien diskriminieren, die sozial schwach sind. Ich finde es schlichtweg beschämend, dass Sie diesen Familien unterstellen, sie würden ihren Kindern nichts Gutes tun, wenn sie sie in den ersten Jahren zu Hause behalten. […] Dass Sie das dann in besonderer Weise auch noch auf Familien übertragen, die kein Deutsch sprechen, das ist doch von Ihrer Seite ein bemerkenswertes Argument, das ich an der Stelle entschieden zurückweisen will. Auch diese Familien, die kein Deutsch oder wenig Deutsch sprechen, lieben ihre Kinder, und sie werden gerade die Kinder im Alter bis zu drei Jahren sicherlich in der Familie gut betreuen und erziehen können.“ Auch die CDU-Abgeordnete Huth-Haage zeigte sich betroffen über die Diskriminierung von Familien seitens der Ampelfraktionen: „Ich will sagen, wenn wir uns so über bestimmte Gruppierungen äußern würden, dann wäre hier eine ganz andere Tonlage im Haus.“ In dem tiefen Misstrauen gegenüber den Eltern erkannte Michael Frisch „ein paternalistisches, ein bevormundendes Familienbild, das wir als AfD eindeutig zurückweisen.“
Frisch verwies weiter darauf, dass es nicht um einige wenige Eltern, sondern um 38.000 rheinland-pfälzische Familien ginge, die derzeit ihre ein- oder zweijährigen Kinder selbst zu Hause zu erziehen. „Was glauben Sie denn, warum 38.000 Familien in den ersten Jahren ihre Kinder zu Hause selbst betreuen? Sie machen es nicht, weil es besonders lustig oder nicht so anstrengend wäre; ganz im Gegenteil, sie tun das ganz bewusst, weil sie wissen, dass sie damit ihren Kindern etwas Gutes tun, weil sie gerade in den ersten Jahren diese sichere Bindung zu den Eltern aufbauen wollen.“ Frisch betonte, dass ein Erziehungsgeld die bestehende Förderung der institutionellen Betreuung komplementär ergänzt: „Alle Eltern können nach wie vor zu völlig unveränderten Bedingungen einen Platz in einer Kita in Anspruch nehmen. Erweitert wird lediglich ihr finanzieller Spielraum, der es ihnen ermöglicht, frei zu entscheiden, welche Betreuungsform für sie und ihr Kind die richtige ist.“ Damit machte Michael Frisch noch einmal klar, worum es der AfD geht: um ein freiheitliches und eigenverantwortliches Menschenbild, das Eltern zutraut, selbst die richtigen Entscheidungen für ihre Kinder zu treffen.